Immer wieder berichten uns Verbraucher, die an geschlossenen Fonds beteiligt sind, dass sie von Anwälten und Interessengemeinschaften unverlangt kontaktiert werden, die ihnen ihre Hilfe aufdrängen. Wir schildern Fälle vom Deutschen Verbraucherschutzring und den PWB Rechtsanwälten, der Kanzlei Thiel & Collegen, Wirtschaftsrat Recht Bremer Heller und der Kanzlei BHVSM.
Aktuell warnt auch das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Hessen: Den Marktwächtern liegen Verbraucherbeschwerden aus zehn Bundesländern zu Kanzleien und Anlegerschutzvereinen vor, die nach Einschätzung der Experten mit Versprechungen beispielsweise zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, Verbrauchern das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Herr C. hatte vor Jahren mit der Privatbank Reithinger zu tun, die 2006 in die Insolvenz ging. Im Juli 2014 meldete sich der Deutsche Verbraucherschutzring e.V. (DVS) aus Erfurt mit einem „Insidertipp“ bei ihm. Er könne Entschädigung vom Staat beanspruchen und Staatshaftungsansprüche geltend machen. In dem Schreiben, das Herr C. erhalten hatte, hieß es: „Stellen Sie sich sorgenfrei, Vater Staat soll zahlen!“ Denn: Es sei Aufgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gewesen, die Privatbank ReithingerBank so zu beaufsichtigen, dass Anlegern kein Schaden entsteht, doch die BaFin hätte das Kreditinstitut nicht richtig überwacht und der Staat müsse daher nun eine Entschädigung zahlen.
Wenn Herr C. es wünsche, würden ihm die Vertrauensanwälte des DVS kostenfrei und unverbindlich erklären, welche rechtlichen Möglichkeiten er habe, um eine Entschädigung zu erhalten. Die Anwälte seien erfahren in Entschädigungssachen und hätten bereits in über 400 vergleichbaren Fällen eine Entschädigung für ihre Mandanten durchgesetzt. Herr C. füllte ein beigefügtes Antwortformular aus und erhoffte sich eine kostenlose Erstbewertung und einen Handlungsvorschlag, um entschädigt zu werden.
Schon kurze Zeit später teilte ihm der DVS mit, dass sein zuständiger DVS-Vereinsanwalt von der Kanzlei PWB Rechtsanwälte in Jena komme. Diese Anwaltskanzlei übersandte Herrn C. sodann eine Vollmacht zur Vertretung gegenüber der BaFin, dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) und gegenüber dem Insolvenzverwalter der Privatbank Reithinger, die er bis zu einem bestimmten Datum – vorab jedoch wenn möglich per Fax – unterschrieben zurücksenden sollte.
Als Herr C. die Vollmacht unterzeichnet und zurückgeschickt hatte, übersandten ihm die Anwälte zwei gleichlautende Schreiben an das BMF und die BaFin zur Kenntnis. In beiden verlangten sie in seinem Namen – ansonsten aber ohne jegliche Individualisierung – Auskünfte zu Herrn C. bzw. zur Privatbank Reithinger. Beigefügt war eine Rechnung über Rechtsanwaltsgebühren „gemäß Vereinbarung“ in Höhe von 899,64 Euro, die Herr C. binnen kurzer Frist ausgleichen sollte. Da er dieser Aufforderung jedoch nicht folgte, wurde er von den Anwälten verklagt.
Nachdem sich Herr C. mit anwaltlicher Hilfe gegen die Klage zur Wehr gesetzt hat, wurde sie zurückgenommen.
Unsere Bewertung
Nachdem ihm der DVS eine kostenlose anwaltliche Erstbewertung angeboten hatte, überlas Herr C., dass in dem achtseitigen Schreiben der Anwälte nebst Anlage auf Seite 5 unter der Überschrift „(Verwaltungs-)Verfahrensgang“ im Text von Rechtsanwaltsgebühren die Rede war und in der Vollmacht der Satz stand: „Mir ist bekannt, dass für diesen Auftrag Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstehen, die sich nach dem Streitwert richten.“ Wir unterstellen, dass genau dies bezweckt wurde.
Die Anwälte der Kanzlei PWB Rechtsanwälte haben lediglich Formschreiben an die BaFin und das BMF geschickt, wie sie es möglicherweise für 1.700 Mandanten* getan haben. Nur im ersten Satz der Schreiben nennen sie Namen und Anschrift des jeweiligen Mandanten. So lässt sich mit wenig Aufwand schnell Geld verdienen: Nehmen wir an, es wurden 1.700 Rechnungen in Höhe von 756 Euro netto verschickt, so ergibt dies eine stolze Summe von 1,29 Millionen Euro.
Bis jetzt ist uns schleierhaft, wie PWB Rechtsanwälte meinen, Staatshaftungsansprüche wegen Versagens der staatlichen Finanzaufsicht durchsetzen zu können, nachdem der Bundesgerichtshof schon mit seinem Urteil vom 20. Januar 2005 (III ZR 48/01) eine Staatshaftung wegen unzureichender Bankenaufsicht abgelehnt hat.
Die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) weist darauf hin, dass dieses Vorgehen mit erheblichen Kosten für die Kunden verbunden, im Ergebnis aber aussichtslos ist. Außerdem gibt es laut EdB ein Urteil, nach dem ein mittels Rundschreiben werbender Rechtsanwalt seinen Honoraranspruch verlieren kann, wenn dieses irreführende Informationen enthält und bei den Adressaten erst den Eindruck eines Handlungsbedarfes erweckt.
Da DVS und PWB Rechtsanwälte auch die Betroffenen der Massenschadensfälle von Phoenix, Göttinger Gruppe und BFI Bank in vergleichbarer Weise angeschrieben haben, bleibt nur zu hoffen, dass nicht zu viele geschädigte Anleger nach diesem Strohhalm gegriffen haben.
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