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Verhandlungstermin in „Dieselverfahren“ am Dienstag, den 23. Februar 2021 um 12.00 Uhr (VI ZR 505/19)

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Das Verfahren hat die Frage zum Gegenstand, ob eine Konzerntochter der Volkswagen AG, die einen von der Konzernmutter entwickelten und gelieferten Motor mit unzulässiger Abschalteinrichtung in ein von ihr hergestelltes Fahrzeug eingebaut hat, vom Käufer des Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Mai 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten Audi A6 Avant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der von der Volkswagen AG entwickelte und gelieferte Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und die in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Für die Erteilung der Typengenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand.

Im September 2015 wurde die Verwendung der Software mit den zwei Betriebsmodi zur Fahrzeugsteuerung bekannt. Im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrtbundesamt gegenüber der Volkswagen AG nachträgliche Nebenbestimmungen für die erteilte Typengenehmigung an. Die Volkswagen AG wurde darin verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen, bei denen innerhalb des VW-Konzerns Dieselmotoren vom Typ EA189 EU 5 zum Einbau gelangten, die aus Sicht des Kraftfahrtbundesamtes unzulässige Abschalteinrichtung zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. In der Folge wurde auf das Fahrzeug des Klägers im Juli 2016 ein Software-Update aufgespielt.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Halle hat der Klage bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht Naumburg hat auf die Berufung der Beklagten unter Zulassung der Revision die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz dem Grunde nach bestätigt, bei der Bemessung der Höhe des zu zahlenden Betrages allerdings anders als das Landgericht einen Abzug von der Kaufpreissumme wegen der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger vorgenommen.

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hafte dem Kläger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB auf Schadensersatz. Die Beklagte habe dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt, indem sie den von der Volkswagen AG mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Dieselmotor der Baureihe EA189 in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut und in Verkehr gebracht habe. Der Schaden des Klägers liege im Abschluss des Pkw-Kaufvertrages, der durch das spätere Software-Update nicht kompensiert worden sei. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter bzw. Organe der Beklagten hätten um die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände gewusst und diese billigend in Kauf genommen, hinsichtlich des bei dem Kläger eingetretenen Schadens hätten sie mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt. Die Beklagte habe entgegen ihrer insoweit bestehenden sekundären Darlegungslast nicht dargelegt, mit Kenntnis welcher Personen die Manipulation der Fahrzeuge erfolgt sei, und dass diese nicht zum Vorstand zählten oder die Manipulation ohne Einbeziehung eines verfassungsmäßigen Vertreters erfolgt sei. Die Beklagte sei zudem wegen ihrer Verbindung mit der Motorlieferantin im Konzern, ihrer Muttergesellschaft, in der Lage aufzuklären, wer bei der Muttergesellschaft für die Entwicklung und das anschließende Inverkehrbringen des Motors mit einer nicht ordnungsgemäßen Motorsoftware verantwortlich gewesen sei. Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei, müsse mit dem Vortrag des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung zur Verwendung einer fehlerhaften Software von verfassungsmäßigen Vertretern der Muttergesellschaft der Beklagten getroffen worden sei. Diesen Vorsatz müsse sich die Beklagte (entsprechend) § 166 BGB zurechnen lassen.

Vorinstanzen:

Landgericht Halle – Urteil vom 07.05.2019 – 9 O 13/18

Oberlandesgericht Naumburg – Urteil vom 30.10.2019 – 3 U 42/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 166 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

Karlsruhe, den 30. November 2020

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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